Demonstrieren gehört zur Demokratie, Gesprächsbereitschaft aber auch

Wetterauer GRÜNE bitten um Deeskalation und suchen das Gespräch mit der Landwirtschaft

Wir sehen mit Sorge auf die Proteste der Bäuerinnen und Bauern, die heute Nacht begonnen haben und sich in den nächsten Tagen fortsetzen werden. Wir hoffen, dass es zu keiner Eskalation kommt. Als Wetterauer GRÜNE nehmen wir Stellung zu den aktuellen und langfristigen Ursachen der Proteste des landwirtschaftlichen Sektors, der sich nun auch auf weitere Teile der Wirtschaft ausweitet.

Wir bitten alle, die sich an den Protesten beteiligen, sich von politisch motivierten Extremisten zu distanzieren!

Wir stehen auf der Seite der Landwirtschaft und der Bäuerinnen und Bauern in der Wetterau.  Bisweilen haben wir eine abweichende Sichtweise. Wir stellen uns jedoch immer der fairen und offene Debatte. Die deutsche Landwirtschaft hat immer schon viel geleistet, aber auch viel ertragen müssen. In den letzten Jahren wurden wichtige Schritte in die richtige Richtung unternommen. Die Annäherung zwischen Erzeuger*innen und Verbraucher*innen, zwischen Stadt und Land ist auf einem guten Weg. Wir wollen dies fortsetzen. Radikalisierten Gruppen sollte hier kein Raum eingeräumt werden, der diesen Trend umkehrt. Für die eigenen Interessen zu streiten und zu demonstrieren ist wichtig in unserer Demokratie, einander zuzuhören und die ganze Gesellschaft im Blick zu halten auch.

Aus unserer Sicht ist es leider so, dass die Informationen über die Ursachen der Bauernproteste zuweilen verfälscht und einseitig und oftmals unvollständig dargelegt werden. Agrarpolitik, wie sie sich in den letzten 30 bis 40 Jahren entwickelt hat, versteht kaum noch jemand. Daher ist die aktuelle Situation in der Landwirtschaft für Polemik bis hin zum Populismus zu missbrauchen.

Die inzwischen zum Teil zurückgenommenen Belastungen, die durch Kraftfahrzeugsteuer, Streichung der Dieselverbilligung, aber auch durch viele andere Maßnahmen –, seien es nun gekürzte echte Subventionen oder Kontrollen – entstehen, sind in fast jedem landwirtschaftlichen Betrieb anders. Selbst wenn es gelingen würde Kategorien nach Betriebsgröße, Region, Anbaubedingungen, Erzeugnissen und Tieren zu bilden, blieb die Spanne innerhalb der Landwirtschaft groß.

Deshalb ist es in der aktuellen Diskussion so schädlich mit Durchschnittswerten zu argumentieren; die Belastung schwankt zum Beispiel bei den Dieselbeschlüssen zwischen etwa 500 und 5000 Euro je Betrieb. Fakt ist, dass die größeren Betriebe in der Regel bessergestellt sind.

Die Dieselrückvergütung macht 6 % der insgesamt für die Landwirtschaft bereitgestellten Zuschüsse aus. In den Gremien des Deutschen Bundestages haben kurz vor Weihnachten alle Fraktionen der Streichung der Dieselverbilligung und Erhebung von Kfz-Steuer auf land- und forstwirtschaftliche Fahrzeuge zugestimmt. Die rechtsextreme Partei, die offenbar von den Protesten profitieren will, fordert sogar die Abschaffung aller Subventionen, das wäre dann das Ende der Landwirtschaft in Deutschland.

Wir Wetterauer GRÜNE halten die Rücknahme der Sparmaßnahmen, die keine‘ grüne‘ Idee waren, für richtig, aber nicht für ausreichend, weil sie undifferenziert bleibt. Die Dieselrückvergütung über einen längeren Zeitraum schrittweise zu streichen und einen Bonus für kleinere Betriebe zu belassen, hätten wir besser gefunden. Als Gegenfinanzierung wären Einsparungen beim Dienstwagenprivileg allemal ausreichend.

Auch von den vielen Subventionen profitieren die landwirtschaftlichen Betriebe in sehr unterschiedlichem Umfang. Der größte Teil der Gelder kommt von der EU und wird über die bewirtschaftete Fläche verteilt. Der relevanteste Einzelposten, den der Bund beisteuert, ist der Zuschuss für die Alterssicherung und Krankenversicherung in Landwirtschaft, Garten- und Weinbau. Ebenso unterschiedlich ist das Bild bei den in den letzten Wochen gerne zitierten guten Einkünften der letzten Jahre in den Betrieben. Sehr vielen Betrieben geht es immer noch schlecht und das nächste Jahr kann auch wieder schlechte Erträge und schlechte Preise bringen.

Letztendlich ist die Dieseldebatte nur der Auslöser für die Proteste gewesen. Viel weitgehende Ursachen liegen in vielen Fällen Jahrzehnte zurück und die politische Verantwortung ist verzerrt. Weil wesentliche Entscheidungen kaum nachvollziehbar in EU-Gremien, aber unter Mitwirkung der Mitgliedsstaaten, auch Deutschlands, getroffen werden. Eine Folge davon ist, dass die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe in Deutschland in den letzten 40 Jahren von etwa 850.000 auf 260.000 zurückgegangen ist.

Die Wut der Proteste richtet sich gegen die aktuelle Bundesregierung, aber sie trägt keine Schuld an der Misere. In den letzten 40 Jahren haben 11 Jahre SPD und GRÜNE Bundeslandwirtschaftsminister*innen gestellt. Von 1969 bis 1982 zeichnete durchgehend die FDP für dieses Ressort verantwortlich. Die gesamte restliche Zeit steuerte die CDU/CSU die deutsche Agrarpolitik. Die Konservativen gestalteten über Jahrzehnte maßgeblich auch die EU-Agrarpolitik, über den Ministerrat und im EU-Parlament. Von dort und aus dieser Zeit kamen die Entscheidungen mit den schwerwiegendsten Folgen für die deutsche Landwirtschaft, die immer wieder der aktuellen Bundesregierung vorgeworfen werden. Der Schlingerkurs der Merkel-Regierungen tat ein Übriges. Unter dieser fehlgeleiteten Förderpolitik leidet im Übrigen auch der landwirtschaftliche Sektor in vielen anderen EU-Ländern.

Der Deutsche Bauernverband und seine Regional- und Landesverbände distanzieren sich zu Recht von Radikalen, Chaoten, Gewalttätern und Rechtsextremen, die die Proteste für ihre Zwecke instrumentalisieren wollen. Es gibt leider inzwischen einige selbsternannte ‚Bauernvertreter‘. In den sozialen Medien rufen diese Menschen zu Protesten auf, leider nicht frei von Hass und Hetze. Den gewählten Gremien droht die Kontrolle zu entgleiten.

Bei den GRÜNEN, gerade auch den hessischen und Wetterauer GRÜNEN gibt es einige sachverständige und sprechfähige Menschen. Wir wiederholen unser Angebot zum Dialog mit der Landwirtschaft und den Menschen im ländlichen Raum.