Schweinehaltung Stufe 1

Von Katja Dombrowski

Kürzlich wurde mal wieder das nahende Ende der deutschen Landwirtschaft proklamiert, wie wir sie kennen und lieben. Der Grund: Aldi hatte angekündigt, Billigfleisch aus den beiden schlechtesten Tierhaltungsstufen aus dem Sortiment zu nehmen. Stufe 2 in vier Jahren, Stufe 1 in neun Jahren, also 2030. Das gilt nur für Frischfleisch, nicht für tiefgekühltes Fleisch und nicht für Fleisch, das zu Wurst oder etwas anderem verarbeitet wurde.

Eine Revolution auf dem Fleischmarkt stelle ich mir anders vor. Aber das sieht die Massentierzuchtindustrie vollkommen anders! Sie wähnt sich dem Untergang nah. Höfesterben, schluchz, der Niedergang von Familienbetrieben und bäuerlicher Tradition – die ganze Palette wird da rausgeholt. Und ein Bild gemalt, das mit der Wirklichkeit nicht viel zu tun hat. Let’s face it: Die deutsche Kuh steht nicht auf auf der grünen Wiese, sondern angebunden im Stall. Von frischem Gras und frischer Luft kann sie nur träumen.

Das freiwillige Kennzeichnungssystem, um das es geht, haben Lebensmittelketten wie Aldi & Co selbst entwickelt. Es reicht, frei interpretiert, von Stufe 1, „grobe Tierquälerei“ (Rinder sind im Stall angebunden, Schweine haben nur 0,75 Quadratmeter Platz, als Futter ist alles erlaubt) über Stufe 2, „wie 1, aber mit marginalen Verbesserungen“ (Anbindung ist hier verboten) und Stufe 3, „mal kurz an der Freiheit geschnuppert“ (Tiere mussten vor der Schlachtung Frischluft geatmet haben, aber nicht durch Freigang, Löcher in der Stallwand tun’s auch; Genfutter ist verboten) bis zu Stufe 4, „das ist ja wohl das Mindeste“ (Schweine haben 1,5 Quadratmeter Platz im Stall, Rinder je nach Größe 1,5 bis 5 Quadratmeter, beide haben Auslauf in ein Freigehege). Von den Standards der Bio-Erzeuger ist auch Stufe 4 noch weit entfernt: Ferkeln die Schwänze abzuschneiden ist erlaubt, Antibiotika dürfen auch präventiv verabreicht werden und so weiter, kennt man ja.

Schon erschreckend, was so alles erlaubt ist. Ach ja, der 2019 beschlossene Plan, ein staatliches Tierschutzlabel einzuführen, ist neulich irgendwann zwischen den Mühlsteinen der Uneinigkeit von Union und SPD zermahlen worden. In dieser Legislaturperiode wird daraus nichts mehr. Der Markt hat’s bisher auch nicht geregelt: Die Menschen sagen zwar in jeder Umfrage, sie wollen bessere Tierhaltung, aber beim Einkauf nehmen sie halt doch das billigste Fleisch. So’n Label kann man ja auch gut ignorieren. Neun von zehn Rindern und acht von zehn Schweinen in Deutschland leben in Haltungsstufe 1.

Aldi sagt: Wir gehen ein hohes finanzielles Risiko ein. Der Discounter macht 85 Prozent seines Frischfleisch-Umsatzes mit totem Tier aus den Haltungsstufen 1 und 2. Aber Aldi glaubt daran, dass seine Kunden bereit sind, mehr Geld für Fleisch auszugeben. Man darf ihnen halt einfach nicht jede Wahl lassen.

Wer so gar nicht daran glaubt, sind die Schweinemäster. Für eine bessere Haltung müssen sie investieren, Ställe umbauen, weniger Tiere pro Fläche halten, mehr Geld fürs Futter ausgeben. Am Ende kostet das einzelne Schwein mehr Geld. Und da hat der Schweinemäster Angst, dass es keiner mehr kauft. Ich kenne eine einfache Lösung: Billigfleisch aus tierquälerischer Haltung vom Markt verbannen. Das geht. Man muss es nur wollen. Und natürlich gilt das dann auch für importiertes Fleisch.

Ein weiteres Argument gegen bessere Haltung ist die, dass Stufe 4, also die mit Auslauf, gar nicht genehmigungsfähig sei. Weil ein paar tausend Schweine im Freien so stinken, dass das niemandem zuzumuten ist, und außerdem giftiges Ammoniak in den Boden und die Luft entweicht. Wer mal kurz drüber nachdenkt, sollte darauf kommen, dass ein solcher Betrieb zurecht nicht in der Nähe von Wohnhäusern oder Naturschutzgebieten liegen darf. Und wer das zu Ende denkt, erkennt auch, dass die Konsequenz nicht sein darf, tausende Schweine in einer Halle zu halten. Sondern dass die Massentierhaltung einfach schädlich ist, für Tier, Mensch und Umwelt. Sie gehört abgeschafft. Dann hat die gute alte Landwirtschaft, die wir lieben, auch tatsächlich wieder eine Chance.

Katja Dombrowski ist freie Journalistin, lebt in Friedberg und engagiert sich ehrenamtlich bei den Wetterauer Grünen. Der Meinungsbeitrag spiegelt allein die Meinung der Kolumnistin wieder.