Nazis in Parlamenten

Von Katja Dombrowski

0,94 Prozent – das klingt unbedeutend. Weniger als ein Prozent der Stimmen entfielen bei der Kreistagswahl  in der Wetterau auf die NPD. Das sind aber 88.740 Stimmen! Wie viele Menschen dahinter stehen, ist nicht klar, da manche ihre Stimmen auf mehrere Parteien verteilen. Mehr als tausend sind es aber auf jeden Fall. Ich frage mich: Was sind das für Menschen? Was treibt sie an, was treibt sie um? Alles Nazis, kann das denn sein?! Leider habe ich darauf keine Antwort. Daran, wofür die NPD steht, lässt sie selbst allerdings keinen Zweifel: „Migration tötet“ gehört zu ihren Lieblingsslogans.

Die gute Nachricht ist, dass die NPD im Kreistag jetzt nur noch mit einem statt zwei Abgeordneten vertreten ist. Aber auch das ist einer zu viel. Die „Ausländer raus“- und „Deutschland den Deutschen“-Anträge werden von der demokratischen Mehrheit zwar regelmäßig und schon mit einer gewissen Routine abgeschmettert. Aber allein sich damit befassen zu müssen, ist eine Zumutung. Und die öffentliche Bühne, die das Parlament ihnen bietet.

Das Bundesverfassungsgericht will die NPD ja nicht verbieten. Sie ist zwar eindeutig verfassungsfeindlich und „wesensverwandt“ mit dem Nationalsozialismus, aber zu unbedeutend. Bedeutungslosigkeit klingt beruhigend – stimmt nur leider nicht überall. In Altenstadt-Waldsiedlung hat jede*r Fünfte NPD gewählt. Hallo, was ist da los in Waldsiedlung?! Ist euch der Ruhm zu Kopf gestiegen? Das Dorf hat ja 2019 internationale Berühmtheit erlangt, nachdem der Ortsbeirat NPD-Mann Stefan Jagsch zum Ortsvorsteher gewählt hat. Weil er der jüngste war und Emails kann. Er wurde zwar kurze Zeit später wieder abgewählt. Fühlt sich jetzt aber durch den tollen Wahlerfolg bestätigt und will es nochmal versuchen.

Gemeinde Altenstadt übrigens 8,5 Prozent, macht drei Sitze. Das ist auch nicht gerade unbedeutend. Und Daniel Lachmann, hessischer NPD-Vorsitzender, Mitglied im Bundesvorstand und im Gegensatz zu Jagsch weiterhin im Kreistag vertreten, darf auch die Politik in seiner Heimatstadt Büdingen weiter mitbestimmen. Die ergatterten 2,64 Prozent reichen für einen Sitz im dortigen Parlament.

Das Bundesverfassungsgericht hat sinngemäß geurteilt, dass die NPD ihre Nazipolitik sowieso nicht durchsetzen könne und deshalb auch keine Bedrohung für die freiheitlich-demokratische Grundordnung darstelle. Ich würde die Damen und Herren des obersten Gerichts gerne mal auf einen Kaffee nach Altenstadt-Waldsiedlung einladen und mir erklären lassen, was sie zu den dortigen mehr als 20 Prozent zu sagen haben. Aber ich glaube, ich kenne die Antwort schon: Die Bedrohung in einem kleinen hessischen Dorf ist zu unbedeutend, um das System als ganzes zu gefährden. Wer dort lebt und kein Nazi ist, hat eben Pech gehabt. Irgendwer fällt immer durchs Raster.

Natürlich löst ein Verbot nicht das Grundproblem, dass eine Partei wie die NPD in Deutschland, stellenweise, Erfolg hat. Die Menschen ändern deshalb ja nicht ihre Meinung über Flüchtlinge, Homosexuelle oder Angela Merkel. Aber die Rechtsradikalen könnten ihre menschenverachtenden Ansichten zumindest nicht mehr in Parlamenten verbreiten. Das würde mir als Grund schon reichen.

Katja Dombrowski ist freie Journalistin, lebt in Friedberg und engagiert sich ehrenamtlich bei den Wetterauer Grünen. Der Meinungsbeitrag spiegelt allein die Meinung der Kolumnistin wieder.