Motto „Mama macht das schon“

Von Katja Dombrowski

Leute, für Feminismus hab ich keine Zeit! Zwischen Job und Homeschooling, Wäsche waschen und Fraktionssitzungen, Coronastress und pubertierenden Kindern kann ich nicht auch noch für Gleichberechtigung kämpfen. Die muss verdammt nochmal mittlerweile selbstverständlich sein! Diesen Kampf hat schon die Generation meiner Mutter ausgetragen, und es ist ein Skandal, dass sie ihn nicht gewonnen hat. Dass wir im Jahr 2021 über die gleichen Themen reden müssen wie in den Siebzigern: patriarchale Rollenmuster, gläserne Decken, ungleiche Bezahlung. Ich muss hier nicht auflisten, wie wenige Frauen im aktuellen Bundestag sitzen, wie wenige in den Chefetagen deutscher Unternehmen, wie wenige Chefredakteurinnen, Chefärztinnen und Hochschulprofessorinnen es gibt. Ist alles bekannt und wurde uns gerade am Weltfrauentag nochmal schön aufgewärmt serviert.

Wegen Corona gibt es jetzt sogar Rückschritte. Wegen Corona? Nein, wegen der Rollenverteilung in deutschen Familien. Viele funktionieren offenbar immer noch nach dem Motto „Mama macht das schon“. Beide Eltern sind im Homeoffice, aber der Mann macht zur Videokonferenz die Tür hinter sich zu, während die Frau – sie kann ja Multitasking! – ihren Laptop am Küchentisch aufschlägt und nebenbei die Schulaufgaben erklärt, dem Paketdienst öffnet und das Mittagessen vorbereitet. Liebe Schwestern im Geiste, ich frage euch: Warum macht ihr das mit?! Weil es die Gesellschaft von euch erwartet? Weil euer Mann nicht anders kann? Weil eure Kinder immer zu euch kommen, wenn sie was brauchen oder wollen, nicht zum Papa?

Ich weiß schon, dass es strukturelle Benachteiligung gibt. Aber vieles ist auch selbstgemacht. Und das lässt sich ändern. Meine Mutter hat vor 40 Jahren ihr eigenes Kinderbetreuungssystem geschaffen, weil es keine Kindergärten für unter Dreijährige und auch keine Ganztagsbetreuung für Grundschulkinder gab. Sie hat die Hälfte der Hausarbeit an meinen Vater delegiert und eine Karriere von der einfachen Programmiererin zur hochbezahlten IT-Beraterin hingelegt. Als Kind, als Jugendliche dachte ich, das sei normal. Niemals hätte ich damit gerechnet, dass sich meine Generation noch mit Emanzipation rumschlagen muss. Und nun stehen wir hier und reden über den Gender Pay Gap, der 2020 18 Prozent betrug. Wie unwürdig.

Gegen diese Verhältnisse setze ich mein eigenes Leben, privat, beruflich und politisch. Außerdem führe ich drei Töchter ins Feld, die dieses Leben für normal halten. Über patriarchale Rollen können sie nur den Kopf schütteln. Bei uns verdient die Frau das Geld, und der Mann schmeißt den Haushalt. Allein die binäre Unterscheidung zwischen Frauen und Männern ist für diese Generation von gestern. Gender ist für sie fluid und irgendwie auch nicht so wichtig. Menschen sind Menschen, nur als solche zählen sie. Vielleicht ist das überhaupt die Lösung für die Probleme, mit denen Frauen – noch immer – zu kämpfen haben: Vergesst die Kategorien. Das würde die Diskriminierung sexueller Minderheiten gleich mit erledigen. Und auch noch die aller anderer Minderheiten. Ein schöner Gedanke.

Katja Dombrowski ist freie Journalistin, lebt in Friedberg und engagiert sich ehrenamtlich bei den Wetterauer Grünen. Der Meinungsbeitrag spiegelt allein die Meinung der Kolumnistin wieder.