Hypokritisches Deutschland

Von Katja Dombrowski

„Nie wieder Krieg“ ist ein Motto, das wir Nachkriegsdeutschen quasi mit der Muttermilch aufgesogen haben. Und mehr als siebzig Jahre Frieden in diesem Land sind auch wirklich etwas, worüber wir sehr froh sein können. Aber das Motto gilt natürlich nur für Deutschland selbst! Andere Staaten können sich ruhig gegenseitig – oder wahlweise ihre eigene Zivilbevölkerung – abschlachten. Wir halten sie nicht davon ab, im Gegenteil. Nicht von ungefähr spielen wir in der Topliga der weltweiten Rüstungsexporteure, wo wir einen stolzen vierten Platz belegen, und konnten die Ausfuhren in den vergangenen fünf Jahren um ein Fünftel steigern. Deutsche Waffen sind nämlich ausgesprochen effizient, und wir haben eine breite Palette im Angebot: Von der kleinen Handfeuerwaffe über moderne fernbedienbare Waffenstationen bis zum Kampfjet ist für jede Art von Krieg etwas dabei.

Dass wir als selbsterklärte Friedensnation ein bedeutender Waffenproduzent und -exporteur sind, hängen wir öffentlich nicht an die große Glocke – Geräte, die dazu geschaffen sind, Menschen umzubringen, haben halt in bestimmten Kreisen ein Imageproblem. Da stellen wir lieber nach vorne, wie toll wir Autos und Flugzeuge bauen können. Letztlich ist das aber das Gleiche. Die Airbus Group hat nicht nur Touristenbomber im Portfolio, sondern auch echte. Die Daimler AG baut neben Pkw auch Militär-Unimogs und Panzertransporter. Und Rheinmetall beliefert sowohl Autobauer als auch den Weltmarkt für Waffen.

Dank der zahlreichen Kriege und Konflikte floriert der Umsatz der Branche. Vor allem im Nahen Osten gibt es viele treue Kunden, die deutsche Technik zu schätzen wissen – fast ein Viertel unserer Waffen geht in diese Region, in der man für alle Eventualitäten gerüstet sein will, allein im Jahr 2020 im Wert von mehr als einer Milliarde Euro. Logischerweise sind viele fragile Staaten unter den Abnehmern, mit denen Geschäfte immer ein gewisses Risiko bergen. Es wäre aber doch ein Jammer, auf diese Kunden zu verzichten! Daher sichert die Bundesregierung die Exporte auf Antrag mit Hermes-Bürgschaften ab – wir Steuerzahler*innen zahlen also, wenn es etwas schief geht. Machen wir doch gerne.

Fiese Kriege, zum Beispiel den im Jemen, unterstützen wir allerdings nicht so gerne. Wer daran beteiligt ist, wie Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate und Ägypten, bekommt offiziell nichts von uns. Ok, Ägypten war 2020 unser Top-Abnehmer – aber das ist eine Ausnahme! Auch bei Menschenrechtsverletzungen und der Niederschlagung von Demokratiebewegungen sehen wir deutsche Waffen lieber nicht im Einsatz. Wenn sie in solch widerlichen Zusammenhängen auftauchen, konnte das vorher garantiert keiner ahnen. Oder die Waffen sind in Drittländern gekauft – dass es diese Märkte gibt, ist ja nicht unsere Verantwortung.

Also, liebe Kriegstreiber und Despoten: Kauft bitte weiterhin so viele deutsche Waffen wie möglich. Das hilft unserer Wirtschaft und sichert Arbeitsplätze. Aber führt damit nur gerechte Kriege. Oder noch besser: Lasst sie im Depot. Blut sollte nachher möglichst nicht dran kleben. Vielen Dank. Euer hypokritisches Deutschland.

Katja Dombrowski ist freie Journalistin, lebt in Friedberg und engagiert sich ehrenamtlich bei den Wetterauer Grünen. Der Meinungsbeitrag spiegelt allein die Meinung der Kolumnistin wieder.