Der Scholzomat-Appeal

Von Katja Dombrowski

Olaf Scholz, der Wunschkanzler der Deutschen?! Entweder die lügen alle in den Umfragen (warum fragt mich eigentlich nie jemand?), oder Deutschland hat sich aufgegeben. Dieser plötzliche Höhenflug des Kandidaten, dessen „Wahlkampf“ sich bisher dadurch ausgezeichnet hat, so weit wie möglich unter dem Radar zu fliegen, macht mich ratlos.

An Scholz persönlich kann es nicht liegen. Der Mann hat den Sex-Appeal eines Geldautomaten. Er ist weder charmant noch sympathisch, gut aussehend schon gar nicht, hält keine mitreißenden Reden, fällt als „Mann des Volkes“ glatt durch, strahlt keine Empathie aus … eigentlich strahlt er gar nichts aus. Besonders vertrauenerweckend ist er auch nicht. Irgendwie in krumme Wirecard- und Cum-Ex-Geschichten verstrickt, die den Staat, also uns, Milliarden kosten, hat er zwei Untersuchungsausschüsse am Hals. Aber Genaueres werden wir – wenn überhaupt – erst nach der Wahl erfahren. Verantwortung zu übernehmen, scheint jedenfalls auch nicht Scholz’ Stärke zu sein.

Bliebe noch die politische Bilanz. Irgendwas Tolles hier, aus seiner Zeit als Finanzminister zum Beispiel, das auf seine Kappe geht? Nö. Und kommt mir jetzt nicht mit der Corona-“Bazooka“. Abgesehen davon, dass diese Metapher aus dem Bereich Krieg und Vernichtung absolut daneben war, hat sie zwar die Lufthansa vor der Pleite gerettet, viele normale Menschen – Gastronom*innen, Friseur*innen, Künstler*innen – aber nicht. Was sonst noch haften geblieben ist: Als Hamburger Innensenator hat Scholz den Einsatz von Brechmitteln beim Verdacht auf Drogenhandel eingeführt, ein Mensch starb daran. Als Bürgermeister hat er beim G20-Gipfel in Hamburg auch sehr viel falsch gemacht, aber dort starb niemand – was ihm als Begründung dafür reichte, im Amt zu bleiben.

Nun wählen wir in Deutschland ja keine*n Kanzler*in, sondern eine Partei. Man merkt es nicht sofort, aber Scholz ist in der SPD. Das ist die Partei, die in den letzten Jahren gar nichts mehr hinbekommen hat und schon auf dem Weg in den Abgrund der Bedeutungslosigkeit war. Und jetzt? Lauter tolle Ideen, deren Umsetzung bisher nur an der CDU gescheitert ist? Von wegen. Man wirft ein paar Sozialköder aus, um den Linken Stimmen wegzunehmen, geriert sich als die wahren Klimaschützer („Kanzler für Klimaschutz. Scholz packt das an“), um im grünen Milieu zu fischen und versucht ansonsten CDU-Wähler*innen, die natürlich auch SPD wählen sollen, mit Stabilität und Sicherheit zu beruhigen. Das Weiter-so ist für eine Partei, die von 16 Merkel-Jahren 12 mitregiert hat, noch am glaubwürdigsten. Klar ist jedenfalls: In Scholz steckt so viel Potenzial zum Klimakanzler, wie Merkel Klimakanzlerin war.

Bliebe noch die Deutung vieler Medien, Scholz profitiere einfach von den Schwächen der anderen Kandidat*innen. Aber hier geht es doch nicht um den Vorstand im örtlichen Turnverein (eine*r muss es halt machen, egal wer)! Es geht um die Führung unseres Landes, um die besten Ideen für eine gute Zukunft. Noch zwei Wochen bis zur Wahl, genug Zeit für einen Blick in die Wahlprogramme. Sie sind alle online leicht zu finden, und man muss auch nicht jedes Wort lesen. Ich vertraue auf die Weisheit der Masse.

Katja Dombrowski ist freie Journalistin, lebt in Friedberg und engagiert sich ehrenamtlich bei den Wetterauer Grünen. Der Meinungsbeitrag spiegelt allein die Meinung der Kolumnistin wieder.