Alte Politik

Von Katja Dombrowski

Ich habe das Grundproblem der deutschen Politik erkannt, die Hauptursache dafür, dass sie mehr bewahrt als wagt, mehr zurückschaut als nach vorne, mehr Angst als Mut ausstrahlt, dass sie starrsinnig wirkt und verbohrt, kraftlos agiert und unflexibel. Die Wurzel allen Übels ist: Die Alten sitzen auf der Macht! In der Mehrheit sind es alte Männer („weiße“ spare ich mir an dieser Stelle, wegen zu viel Klischee, trifft aber auch zu.) Diese Alten werden von Alten gewählt und machen Politik, die den Alten nützt. Ein perfektes, sich selbst erhaltendes System! Es funktioniert, weil die Alten so viele sind. Bei der anstehenden Bundestagswahl stellt die Generation 60+ mehr als doppelt so viele Wahlberechtigte wie die Generation unter 30.

Und man muss es leider so sagen: Die Alten sind konservativ. Konservativ bis hin zu reaktionär. Natürlich nur im Durchschnitt. Es gibt auch sehr aufgeschlossene und progressive Senior*innen, es gibt Omas gegen rechts und Hans-Christian Ströbele. Aber das ist die Minderheit, da reicht ein Blick in die Wahlstatistik. Für CDU/CSU, den Inbegriff des „Weiter so“, stimmten bei der letzten Bundestagswahl 45 Prozent der über 70-Jährigen, aber nur 25 Prozent der unter 25-Jährigen. Die Grünen hingegen, die Politik für eine lebenswerte Zukunft machen, sind für Alte offensichtlich unwählbar: Weniger als vier Prozent der über 70-Jährigen stimmten für sie, dafür 15 Prozent der Jungen.

Die deutsche Bevölkerung ist im Durchschnitt schon sehr alt, aber die Politiker, die sie vertreten, sind noch älter. Fun Fact am Rande: Die Fraktion mit dem höchsten Altersdurchschnitt im Bundestag ist die AfD. Zufall?! Oder Zeichen dafür, dass die Faustformel „je älter desto rechter“ nicht komplett aus der Luft gegriffen ist? Besonders übel ist die Lage alterstechnisch auf kommunaler Ebene. Ausgerechnet hier vor Ort, wo die Politik den Menschen am nächsten ist, dominieren die besonders Alten. In manchem Magistrat oder Kreisausschuss sind Rentner*innen so gut wie unter sich. Das liegt zu einem großen Teil daran, dass nur Alte die nötige Zeit für diese Art unbezahlter Arbeit haben. Mit Fulltime-Job plus kleinen Kindern ist das jedenfalls kaum zu schaffen.

Man könnte an diesem Problem, das im System der auf Ehrenamt basierenden kommunalen Selbstverwaltung liegt, etwas ändern – aber das können nur die an der Macht, und das sind ja die Alten, und die haben daran gar kein Interesse, weil sie natürlich gerne auf der Macht sitzen. Es ist ein klassischer Teufelskreis. Ein Ausweg ist nicht direkt in Sicht, aber Kopf in den Sand ist auch keine Lösung. Die Wahlbeteiligung ist bei den unter 25-Jährigen am niedrigsten von allen. Leute, ihr seid doch schon so wenige, da müsst ihr doch wenigstens alle hingehen! Sonst habt ihr gegen die Alten überhaupt keine Chance und die regieren immer so weiter, 16 Jahre Kohl, 16 Jahre Merkel, 16 Jahre Laschet – wollt ihr das wirklich riskieren?!

Katja Dombrowski ist freie Journalistin, lebt in Friedberg und engagiert sich ehrenamtlich bei den Wetterauer Grünen. Der Meinungsbeitrag spiegelt allein die Meinung der Kolumnistin wieder.