Abschiebungen nach Afghanistan

Von Katja Dombrowski

Die Nato zieht aus Afghanistan ab, die sowieso schon schlechte Sicherheitslage geht weiter den Bach runter, und Deutschland setzt die Abschiebungen fort. Am Dienstag dieser Woche verließen 27 Menschen unser gastliches Land unter Zwang vom Flughafen Hannover aus. Es war die 40. Sammelabschiebung, insgesamt hat Deutschland seit 2016 mehr als 1000 Menschen nach Afghanistan abgeschoben.

Außenminister Heiko Maas hält diese Abschiebungen „nach wie vor für vertretbar“. Er hat schon mitbekommen, dass die Gewalt dramatisch zunimmt, dass die Taliban große Teile des Landes erobert haben, dass täglich Zivilisten getötet werden. Aber er hat jetzt noch keine konkreten Berichte darüber, ob sich diese Verschlechterung der Sicherheitslage konkret und nachweisbar auf aus Deutschland abgeschobene Menschen auswirkt. Die Berichte wartet er jetzt erstmal ab. „Welche Auswirkungen das dann auf die Frage hat, ob Menschen noch abgeschoben werden können nach Afghanistan, wird man dann sehen“, sagt Maas. Das Innenministerium unter der Regie von Horst Seehofer äußert sich ähnlich. Auf eine Frage der Tagesschau teilte es mit: „Wie sich der Abzug der internationalen Truppen auf die Lage im Einzelnen auswirken wird, kann derzeit noch nicht abgeschätzt werden.“

Dass man konkret und im Einzelfall nicht weiß, was mit den Abgeschobenen passiert, könnte damit zusammenhängen, dass die Behörden das gar nicht verfolgen. Für sie ist der Fall mit der Abschiebung erledigt. Ein paar inoffizielle Berichte gibt es aber schon. Zum Beispiel über einen im Februar abgeschobenen Mann aus Hamburg, der am 21. Juni in der Provinz Baglan gestorben sein soll. Das Haus, in dem er schlief, sei nachts von einer Granate getroffen worden, berichteten in Deutschland lebende Verwandte.

Solche Berichte sind schwer zu überprüfen. Aber dass es in Afghanistan sehr gefährlich ist, ist unbestritten. Dort herrscht Krieg. Laut dem Global Peace Index ist Afghanistan das gefährlichste Land der Welt, noch vor dem Jemen und Syrien. Nach UN-Daten mussten allein im Mai und Juni fast 84000 Menschen vor den Kämpfen aus ihren Dörfern und Städten flüchten. Täglich verlieren Zivilisten bei Gefechten, durch Bomben oder auch durch gezielte Tötungen ihr Leben.

Wenn die Gefahr besteht, dass mein Kind an einem Ort misshandelt wird oder gar stirbt, ich das aber nicht ganz genau weiß – was mache ich dann? Ich schicke das Kind natürlich vorsichtshalber nicht hin. Die Bundesregierung macht genau das Gegenteil. Weil sie nicht genau weiß, dass das Kind dort auf jeden Fall misshandelt oder getötet wird, schickt sie es hin. Damit lässt sie es sowohl an Humanität als auch an gesundem Menschenverstand vermissen. Und wo ist eigentlich Angela Merkels menschliche Seite geblieben, die 2015 aufblitzte? Jeder Mensch hat ein Recht auf menschenwürdige Behandlung, sagte sie damals über die Flüchtlinge. Jetzt sagt sie nichts. Ich wünsche allen Verantwortlichen schlaflose Nächte.

Katja Dombrowski ist freie Journalistin, lebt in Friedberg und engagiert sich ehrenamtlich bei den Wetterauer Grünen. Der Meinungsbeitrag spiegelt allein die Meinung der Kolumnistin wieder.